Koch-Geschichten von starken Frauen aus einem Jahrhundert
Tante Gotchen sang „Dein ist mein ganzes Herz“ und andere Lieder von Rudolf Schock. Ihre helle Sopranstimme klang bis in den Garten. Wenn sie sang, kochte sie und dann war sie
glücklich. Kam sie bei „Ich bin die Christel von der Post" an, erklang bald: „Kinder, essen!“ Meine Cousine und ich rannten in die Küche, wo Oma Lisbeth schon den Tisch gedeckt
hatte. Opa Heinrich freute sich, Grüne Sosse mit Kartoffeln konnte er auch mit den wenigen Zähnen, die ihm geblieben waren, gut essen. Zum Nachtisch Grießbrei
mit frischen Himbeeren, die wir im Garten gesammelt hatten. Tante Gotchens Essen war himmlisch, ich liebte alles, was sie kochte oder buk.
Tante Gotchen, die ältere Schwester meiner Mutter, hat sehr früh die Arbeit in Küche und Haushalt ihrer Mutter übernommen. Diese dankte es ihr mit grösstem Lob und Anerkennung,
heilfroh, die ungeliebte Küchenarbeit loszusein.
Vermächtnis von Tante Gotchen in Mein kulinarisches Erbe
Leicht und fluffig
Hätte Tante Gotchen nicht überraschend die ganze große Familie zu Besuch erwartet, wäre dieses Rezept vielleicht nie erfunden worden. So raffte sie in ihrem Garten Gurken, Radieschen, Schnittlauch
und Dill zusammen. Kartoffeln gab es im Keller und Eier im Stall. Mit Essig, Öl und einem Glas Saure Gurken zauberte sie diesen – mir unvergessenen – Kartoffelsalat, den ich schon oft wiederholt
habe. Seite 106
Das kleine Glück
Als Kind habe ich gerne im Garten von Tante Gotchen die jungen Möhrchen aus der Erde gezogen, genascht und das Grünzeug wieder in den Boden gesteckt. Das welke Laub hat mich bald verraten und mein
kleines Glück beendet. Ganz gleich, ob roh mit Dip, als Salat oder gekocht, Möhren sind lecker. Das Karamellisieren der Möhren unterstreicht den Eigengeschmack und macht sie einfach köstlich. Seite
62
Nicht nur ein Augenschmaus
Als Kind begeisterte mich das Märchen vom Schlaraffenland, wo der Grießbrei ohne Ende aus dem Töpfchen quillt. Statt endloser Völlerei nun höchster Genuss: Der Grießbrei ist in ein paar Minuten gemacht. Leicht und luftig wird der Flammeri durch den untergezogenen Eischnee. Zu einem Augenschmaus wird er durch die Beeren in der Fruchtsoße, deren Zusammenstellung je nach Jahreszeit und Angebot variieren kann. Seite 165